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Der Löwe brüllt hier nicht mehr
Ein Buch zeichnet die besondere Geschichte von Peugeot und dem Saarland nach


Lange war es für Peugeot und das Saarland ein gemeinsamer Weg. Der Saarbrücker Stadtarchivar Hans-Christian Herrmann beschreibt dieses nun beendete Kapitel in seinem Buch „Peugeot in Deutschland", das zu Recht mit „Auch ein Stück Saargeschichte!" betitelt ist.
Saarbrücken. Es hätte glücklichere Momente geben, dieses Buch zu schreiben. Doch als der promovierte Historiker und passionierte Automobilist Hans-Christian Herrmann sich vor über einem Jahr an diese Arbeit machte, sah es für die Löwenmarke besser aus. Da verhagelte noch kein Absatzeinbruch wie im ersten Halbjahr 2012 die Bilanz. Vor allem aber glaubte niemand ernsthaft daran, dass aus den Gerüchten, Peugeot wolle seine Deutschland-Zentrale von Saarbrücken weg verlagern, je ernst würde. Zu geschichtsgewachsen schien die Verbindung zwischen dem wichtigsten französischen Automobil-Hersteller und dem frankophilsten deutschen Bundesland. Passé. Peugeot ist nach Köln abgezogen, wo bereist Citroën sitzt, die zweite PSA-Marke. Von diesem, für die Saarländer schmerzlichen Wegzug, erfährt man in Herrmanns Buch allerdings nur im Vorwort. Der Leiter des Saarbrücker Stadtarchivs hatte seinen Band längst abgeschlossen, als Peugeots Umzugabsichten publik wurden. So lesen sich die 144 Seiten nun fast wie ein Nachruf.
In puncto Auto war die Region an der Saar übrigens schon früh weit vorn. Man profitierte von der Lage. Nicht weit entfernt von den Werkstätten der Herren Benz (Mannheim), Daimler und Maybach (Cann-statt bei Stuttgart), wo man das Auto ertüftelte. Vor allem aber ganz nah an Frankreich, wo die „Kutschen ohne Pferd" zunächst viel besser in Fahrt kamen, als bei den deutschen Nachbarn. Auf dem für jene Tage gut ausgebauten Straßen in Frankreich holperten die noch rustikal gefederten Wagen nämlich nicht gar so arg wie auf den kaiserlichen Buckelpisten. 1891 stieg auch Peugeot, bis dahin Hersteller von Werkzeugen und Bügeleisen, in die Auto-Serienproduktion ein. 1903 kamen fast die Hälfte aller weltweit gefertigten Autos aus Frankreich; bis Ford in den USA richtig Gas gab. Schon 1926 wurden Peugeots systematisch ins Saarland eingeführt - von der Firma Kochte & Rech und deren Saarbrücker Kraftwagenhandelsgesellschaft (KHG). Mit dem Aufstieg der Nazis aber und dem Krieg kam das Neuwagengeschäft bald zum Erliegen. Kochte & Rech begann aber nach Kriegsende wieder. Und mit dem Anschluss des Saarlandes an die Bundesrepublik weitete sich das Geschäftsgebiet aus. Ende der 60er Jahre schließlich beschloss man im Pariser Peugeot-Hauptquartier, das Geschäft in Deutsch- land selbst zu machen. Man übernahm 1967 die KHG, sechs Jahre später wurde in Güdin-gen eine moderne Importanlage errichtet - die jetzt ausgedient hat. Dieser Deutschland-Sitz im Saarland war sicher ein Grund, warum der Marktanteil Peugeots an der Saar zehn Mal höher war als im übrigen Deutschland. Dazu kam nach 1959 über Jahre ein handfester Preisvorteil: Französische Waren kosteten im Saarland weniger als im Rest der damals noch kleineren Republik. Weil hier bereits Importzölle wegfielen - sozusagen als Testlauf für die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft. Außerdem baute die Löwenmarke hervorragende Autos. Damals im Ruf sogar besser als BMW. Kaum verwunderlich, dass sich da auch viel Prominenz ans Steuer setzte. Etwa ein späterer Ministerpräsident im 404. Oskar Lafontaine, Anfang der 70er bei den Saarbrücker Ver-sorgungs- und Verkehrsbetrieben tätig, chauffierte einen. Übrigens auch Familie Kohl aus Oggersheim. Hannelore Kohl, die mal als Au pair in Frankreich war, schätzte das Land und seine Waren. Peugeot zu fahren, das war damals auch Ausdruck einer kultivierteren Lebensart. Dass Herrmann so unterschiedliche Aspekte in einem Buch vereint, Technik genauso im Blick hat wie Wirtschaftsund Alltagsgeschichte, macht dieses Buch attraktiv selbst für jene, die kein Benzin im Blut haben. Man kann im Spiegel des Unternehmens erstaunlich viel auch über das Saarland und seine Entwicklung gerade nach 1945 erfahren. Die Fülle der historischen Fotografien Werbeaufnahmen aber auch Alltagsschnappschüsse aus dem Saarland - macht dieses Buch zusätzlich lesenswert. Auch wenn der Löwe im Saarland leider nicht mehr brüllt.
Von SZ-Redakteur Oliver Schwambach


Hans-Christian Herrmann: Peugeot in Deutschland, 144 Seiten, Walter Wolf-Verlag, 25,90 Euro.

Saarbrücker Zeitung 15.10.2012